Professor Dr. Horst Teltschik beim Vortrag in Kalkar: Vertrauen war der Schlüssel zur deutschen Einheit
Seit 2008 gibt es den Festvortrag anlässlich des Tages der Deutschen Einheit in der von‐Seydlitz‐Kaserne in Kalkar. Viele großartige Referenten, wie der letzte Außenminister der DDR, Markus Meckel, oder Professor Dr. Hans Walter Hütter, Präsident des Hauses der Deutschen Geschichte in Bonn, waren seither Gäste auf dem Beginenberg. Diese Tradition setzte nun ein weiterer besonderer Gast bei der niederrheinischen Luftwaffe fort. Professor Dr. Horst Teltschik war der Einladung des Kommandeurs Zentrum Luftoperationen, Generalleutnant Klaus Habersetzer, gemeinsam mit dem Regionalleiter Niederrhein der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, Oberstleutnant a. D. Michael Urban, gefolgt. Horst Teltschik war in den 1980er‐Jahren einer der engsten Vertrauten und Berater des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Als Leiter der Abteilung für auswärtige und innerdeutsche Beziehungen und äußere Sicherheit im Bundeskanzleramt, war er maßgeblich an den Verhandlungen zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 beteiligt. Ein Ereignis, dass Generalleutnant Habersetzer bei seiner Begrüßung als das „Wunder der jüngeren deutschen Geschichte“ bezeichnet. Zuvor hatte er mehr als 250 Gäste, darunter rund 50 Schülerinnen und Schüler des Collegium Augustinianum Gaesdonck Goch, und des Berufskolleg Geldern, auf dem Beginenberg begrüßen dürfen. Professor Teltschik erinnerte an seine eigene Dienstzeit bei der Bundeswehr zwischen 1960und 1962. Diese war geprägt durch die Berlin‐Krise zwischen 1958 und 1962 und durch die Kuba‐Krise im Herbst 1962. „Wir waren kriegsbereit“, so Teltschik mit Blick auf seine Zeit als Soldat in der damals noch jungen Bundeswehr. Seit seiner Schülerzeit politisch interessiert, waren diese Erfahrungen besonders prägend für Horst Teltschik. Anschaulich schilderte er die Entwicklung vom Kalten Krieg über den Fall der Mauer, bis zur Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990. Auch mit einer Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Beziehungen zwischen dem Westen und Russland konnte der in Rottach‐Egern lebende Gastaufwarten. Und er sparte dabei nicht mit Kritik an der Politik des Westens. „Viele Versprechen, die die Regierung Kohl im Zuge der Verhandlungen zur Einheit gab, wurden später nicht eingehalten“, so Professor Teltschik. Die Verhandlungen zu einem möglichen EU‐Beitritt der Ukraine, genauso wie die Annäherung Kiews an die NATO führten dann schließlich zu der von vielen als neuer Kalter Krieg bezeichneten heutigen Situation. Den Politikern empfiehlt Teltschik vor allem miteinander zu reden und der Bevölkerung notwendige Entscheidungen verständlich zu erklären.
Er selbst war seit 1987 an der Ausarbeitung zahlreicher Abrüstungsabkommen zwischen den westlichen Staaten und der Sowjetunion beteiligt. Und Teltschik plauderte fleißig aus dem Nähkästchen: 1986 hatte Michail Gorbatschow den Partnern im Warschauer Paktversprochen sich künftig nicht mehr in deren innenpolitische Angelegenheiten einzumischen. „Als Ungarn 1989 seine Grenzen aufmachte, hat er Wort gehalten“, so der Referent. Gorbatschow ließ die Ungarn gewähren. „Das“, so Horst Teltschik, „war letztlich entscheidend für den Fall der Mauer und den Prozess der Wiedervereinigung.“ So einfach und reibungslos wie heute viele Menschen glauben, war der Weg dorthin allerdings nicht: „Noch im Januar 1990 wurde in Moskau ernsthaft ein militärisches Eingreifen in der DDR diskutiert.“ Ein solches hätte nach Teltschiks Überzeugung zum Krieg geführt. „Der Schlüssel dafür, dass die Wiedervereinigung letztlich gelingen konnte, war das Vertrauen zwischen Staatsmännern wie Helmut Kohl und Michail Gorbatschow“, so Professor Teltschik. Ein Vertrauen, dass der Referent heute vielfach vermisst – auf beiden Seiten. Nach 90 spannenden Minuten verabschiedeten die Zuhörer Professor Horst Teltschik mitlanganhaltendem Applaus. „Wir hätten Ihnen noch viel länger zuhören können“, bedankte sich General Habersetzter bei seinem Gast für einen fesselnden und authentischen Vortrag eines echten Zeitzeugen jener spannenden Jahre, die schließlich zum Fall der Mauer und der deutschen Einheit führten.
Text: Klaus Sattler
Fotos: Sarah Schulte